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Forschungspfade

 
   
           
 

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Informatiker zwischen numerischer Theorie und Stundenplanentwürfen

Die angewandten Mathematiker bedienten sich der Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung, um nach 1945 die neue Disziplin der Informatik an der ETH zu etablieren.

Eduard Stiefel, ETH-Professor für Mathematik, gründete 1948 das Institut für angewandte Mathematik und holte 1950 Konrad Zuses Relaisrechenautomaten Z4 nach Zürich, um möglichst schnell über programmierbare Rechenkapazitäten zu verfügen. 1955, fünf Jahre nach der Aufstellung des ersten Wissenschaftscomputers in Europa, zog Stiefel auf einer Tagung unter Fachkollegen Bilanz: "Die Rechenautomaten haben uns das numerische Rechnen abgenommen, uns aber die noch viel langweiligere Arbeit des Programmierens gebracht." Das mühsame Programmieren müsse zudem sehr vereinfacht werden, so Stiefel weiter, wenn die Computer in Industrie und Technik Eingang finden sollten. Er schlug als ersten Schritt eine einheitliche Terminologie im Programmieren vor und damit die Entwicklung von Programmiersprachen.

"Rechnen im Fabrikbetrieb", wie Mitdiskutant Alwin Walther es formulierte, scheint aus dieser Perspektive nur wenig mit Grundlagenforschung zu tun zu haben. Gleichwohl wurden z. B. Fragen nach arithmetischen Näherungsverfahren zur Lösung mathematischer Gleichungen überhaupt erst dann interessant, als ihre Durchführung in den Bereich des Machbaren, das heisst des Automatisierbaren rückte. Die numerische Mathematik und die Informatik mit eigenen theoretischen Interessen bildeten sich aus.

Die Protagonisten rund um die Z4 und ihren an der ETH entwickelten Nachfolger ERMETH, die "Elektronische Rechenmaschine der ETH", mussten aber bald feststellen, dass forschungsgenerierende Fragen allein noch keine Disziplin ausmachten. Disziplinen benötigen auch institutionelle Unterstützung und nicht zuletzt ein eigenes Lehrprofil. Der wiederholte Bezug auf die praktischen Anwendungsmöglichkeiten des neuen Rechners innerhalb der Hochschulverwaltung erwies sich als geeignet, um diese strategischen Allianzen zu schmieden und sich als neue Wissenschaft an der ETH zu verankern.

Die Weiterentwicklung von Rechenanlagen war in den 1960er Jahren dadurch charakterisiert, "dass nicht mehr wie früher die mathematischen oder technischen Probleme im Zentrum stehen, sondern das Data Processing". Diesen Sachverhalt erläuterte Stiefel anlässlich der Auswertung einer Studienreise in die USA, die er und einige Kollegen im Herbst 1966 unternommen hatten, um sich über den Ausbau der Datenverarbeitung an US-Hochschulen zu informieren. Stundenplan- und Prüfungsorganisation sollten mit Computern ebenso vereinfacht werden wie die Immatrikulation. Dafür musste allerdings Personal aus- bzw. weitergebildet werden. Ausserdem ging der erhöhte Rechenzeitbedarf im Rechenzentrum mit der Notwendigkeit eines dezentralen Zugriffs auf die Rechenanlage einher, was wiederum kompetente Nutzerinnen und Nutzer voraussetzte. In beiden Fällen sahen die frühen Protagonisten der Computerwissenschaften ihre Chance, Weichen für einen neuen Ausbildungsgang zu stellen.

"Nach Auffassung von Prof. Stiefel wird ein vernünftiger Einsatz dieses Systems nur möglich sein, wenn die Ausbildung in Datenverarbeitung auf eine wesentlich breitere Grundlage gestellt wird."

(Schulratsprotokolle, SR2:1967, Sitzung des Schulrats vom 4.2.1967, 82).

Im Ergebnis bedeutete dies nicht nur die Errichtung einer Professur für Datenverarbeitung. Auch eine Professur für den Einsatz von Rechenanlagen wurde anvisiert. Sie sollte die allgemeine Ausbildung an Computern übernehmen, "durch welche unsere Ingenieure wenigstens die Anfangsgründe des Einsatzes von Rechenautomaten für technische Probleme beherrschen lernten", so wiederum Stiefel. Einer entsprechenden im Institut für angewandte Mathematik bereits seit Jahren angebotenen Vorlesung des Assistenzprofessors Peter Läuchli folgten um die 700 Hörer, was eine intensiv betreute praktische Einführung unmöglich machte.
Anfang 1968 lagen dem Schulrat fünf Anträge zur Beschlussfassung vor, die alle zum Ziel hatten, "Unterricht und Forschung in Computer-Wissenschaft zu verstärken und auszubauen, um einen schweizerischen Schwerpunkt in dieser relativ neuen, zukunftsträchtigen Disziplin zu schaffen".

"– Zusammenstellung eines Spezialstudienplanes für Computer-Wissenschaft, unter Leitung von Prof. Rutishauser

– Gewinnung für die ETH von Assistenz-Professor Dr. Niklaus Wirth von der Universität Zürich 'baldmöglichst und im grösstmöglichen Umfang'

– Einsatz von Assistenz-Professor Dr. P. Läuchli, bisher für angewandte Mathematik, im Fach der Computer-Wissenschaft

– Fortsetzung der Bemühungen, eine Persönlichkeit von internationalem Format, z. B. Prof. Salton, für das Fach der Computer-Wissenschaft zu gewinnen

– Schaffung der Möglichkeit, im Fach Computer-Wissenschaft zu diplomieren."

(Schulratsprotokolle, SR2:1968, Sitzung vom 16.3.1968, 218)

Während die Gestaltung des Spezialstudienplans sowie der Diplomstudiengang-Vorschlag sofort vertagt wurden, mündeten die Personalfragen in der Bildung eines "Kollegiums für Computer-Wissenschaft", das aus den Professoren Rutishauser, Stiefel, Wirth und Läuchli bestand.

An einem Bewusstsein für die eigene neue Identität als Disziplin schien es den Computer-Wissenschaftlern also nicht gemangelt zu haben, wie die zahlreichen Anläufe zur Gruppen- und Profilbildung zeigen. Die späte Institutionalisierung eines eigenständigen Studiengangs – er wurde erst 1981 eingerichtet – hatte stattdessen mit der Professionspolitik der klassischen Disziplinen Mathematik, Elektrotechnik und Physik zu tun. Das war 1968 nicht anders als bei der Vernehmlassung 1979, die das Institut für angewandte Mathematik anstiess, um Unterstützung für die Einführung eines grundständigen Informatikstudiums einzuholen. Neben den Architekten, denen die Informatiker schlicht Unwissenheit als Grund für ihre Negativreaktion unterstellten, lehnten die Physikassistenten den geplanten Studiengang ab, um – so die Erklärung der Beteiligten – im industriellen Tätigkeitsfeld des FORTRAN Programmierens konkurrenzlos zu bleiben (ETHistory-Interview mit Carl August Zehnder vom 6. Juli 2004).

Andrea Westermann

   
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