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Die "Herrlichkeit der Technik" auf Abwegen

Der Kulturpessimismus des beginnenden 20. Jahrhunderts beklagte die Mechanisierung und Rationalisierung der Lebenswelt. Mit seiner "Weltanschauung vom Standpunkte des Ingenieurs" legte der ETH-Professor Aurel Stodola eine gebildetet Verteidigungsschrift der Technik vor.

"Das gelegentliche Hereinbrechen des grossen Unglückes kann Menschenmacht nicht verhüten. Allein, gegenüber den Predigern des grundsätzlichen Pessimismus, der Prophetie vom Untergange des Abendlandes setzen wir den machtvollen Glauben an die geheimnisvolle Offenbarung, die uns Mutter Natur im schöpferischen Elan der Jugend zuraunt, den Glauben an die grosse Wandlung, die vom Geiste ausgeht, an die Möglichkeit, ein Leben in hinreissender Schönheit, - die ja selbst ein Abglanz der Wahrheit ist, - mitten im Jammertal der Erde aufzubauen."

(Stodola 1932, 9)

Mit diesen "lichtvollen Gedanken", wie ein zeitgenössischer Rezensent begeistert berichtete, beendete Aurel Stodola im Juli 1929 seine Professorentätigkeit an der ETH Zürich. Seine Abschiedsvorlesung, in der sich der Maschinenbau-Experte einmal mehr als väterlicher Ratgeber auswies, setzte er 1931 an den Anfang seiner "Gedanken zu einer Weltanschauung vom Standpunkte des Ingenieurs". Expliziter noch als in seinen professoralen Abschiedsworten befasste sich Stodola in dieser Aufsatzsammlung, die schon im Jahr darauf in einer zweiten überarbeiteten Auflage erschien, mit zivilisationskritischen Positionen seiner Zeit. Aufgeschreckt durch die Katastrophenerfahrungen des Ersten Weltkriegs und die Negativerscheinungen der fortschreitenden Industrialisierung hatte sich Anfang des 20. Jahrhunderts eine deutlich artikulierte "antitechnischen Kulturkritik" formiert.
Aurel Stodola (1859-1942): Professor für Maschinenkonstruktion an der ETH Zürich
Aurel Stodola (1859-1942): Professor für Maschinenkonstruktion an der ETH Zürich

"Wenn auch die Ausbreitung des technischen Denkens nicht Grundursache der fraglosen Verödung der freien Schöpferkraft ist, so war doch wohl der Geist der Anfang der Technik, die Technik das Ende des Geistes", zitiert Stodola die 1927 erschienene Abhandlung "Technik und Geist" seines Kollegen Emil Ermatinger, von 1909 bis 1943 Ordinarius für deutsche Literatur an der ETH Zürich. Ähnlich wie Oswald Spengler in seinem geschichtsphilosophischen Endzeitszenario "Der Untergang des Abendlandes" sah auch der Schweizer Germanist die "Harmonie der Vergangenheit" durch das "Zeitalter der Technik" bedroht.

Die "Eingeständnisse und Gelöbnisse", die Stodola den Technikkritikern entgegen hielt, zeugen von einer aussergewöhnlichen Belesenheit, waren in ihrer argumentativen Stossrichtung aber nicht ganz neu: "Nicht technischer Erfindungsgeist hat jenes Übel gezeitigt, sondern die dunklen Urmächte der Hab- und Genusssucht, des Eigennutzes, deren Kraft in der Brust der Menschen Schicksalsrolle zu spielen, noch ungebrochen ist" (Stodola 1932, 18). Wie viele seiner Standeskollegen bediente sich Stodola der Beschwörungsformel von der missbrauchten Technik, die durch "Überbleibsel uralter Torheit und Verblendung" in zweckwidrige Bahnen gelenkt werde. Letztlich unbeeindruckt von der Diagnose einer bedenklichen Technisierung der Lebenswelt verteidigte der namhafte Lehrer des Dampfturbinenbaus die eigentliche "Herrlichkeit der Technik", die "ursprünglich die friedfertigsten Ziele" verfolge und die "an die Stelle des Chaos ungezügelter Naturgewalten die Ordnung, die Herrschaft einer überlegenen Vernunft" einführe.

In der 120 Seiten langen Verteidigungsschrift mischen sich traditionelle Argumentationsstrategien zur Statusverbesserung wissenschaftlich gebildeter Ingenieure mit neuen rhetorischen Figuren, die insbesondere im Umfeld der Technokratie-Bewegung entwickelt wurden. So etwa wird die These von der zerstörerischen Wirkung der Technik, die der zeitgenössische Kulturpessimismus vorbrachte, nach bewährter Manier in den Topos vom verkannten "Kulturwert der Technik" umformuliert: "Wir bekennen, dass uns die Bändigung und Indienststellung der Naturkräfte für den Menschen unendlich wertvoller erscheint als manches unfruchtbare Hirngespinst von Kaffeehaus-Literaten", ereiferte sich Stodola in seiner grundsätzlich eher versöhnlichen, um die Verständigung von Natur-, Technik- und Geisteswissenschaften bemühten Schrift.

Stärker noch als die Klage über mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz kommt beim Zürcher Maschinenbau-Professor der moralische Appell an Schüler und Fachkollegen zum Ausdruck. Wie eine Generation zuvor der bekannte deutsche Ingenieurwissenschaftler Carl Julius von Bach befürwortete auch Stodola ein verstärktes politisches Engagement der Ingenieure. Die "Problemauffassung und Arbeitsmethoden" der Techniker seien für die gesetzgeberische Arbeit prädestiniert: "Wenn man diesem Ingenieurgeist Einzug in die Gesetzgebung gewährte, würde die Welt mit Staunen feststellen können, wie vieles realisierbar ist, was früher schlechthin unausführbar utopistisch schien" (Stodola 1932, 25). Im Unterschied zur Technokratie-Bewegung, die ihren Höhepunkt Anfang der 1930er-Jahre erreichte, propagierte er nicht die Lösung aller gesellschaftlichen und politischen Probleme durch die Technik, im Gegenteil. "Wir müssen der Seele die Oberhoheit über den Intellekt einräumen", bewarb Stodola einmal mehr das klassische humanistische Bildungsideal. Seine Verteidigungsschrift schliesst mit einem Rundgang durch die damals neuesten Thesen der Geistes- und Naturwissenschaften, von der Relativitätstheorie über den Positivismus bis zur Psychoanalyse werden die Umrisse eines wissenschaftlichen Menschenbildes skizziert. Als "unmittelbarsten Zugang zum Göttlichen" und zu den "hohen Anliegen der Menschheit" empfiehlt Stodola die Kunst und die Dichtung, allen voran die Musik.


Monika Burri

   
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