Öffentlichkeitsarbeit: Professionalisierungszwänge
In den 1960er-Jahren mussten sich Wissenschaft und ETH-Leitung einen dialogischen Stil angewöhnen. Die heutige Abteilung Corporate Communications nahm 1968 mit einem halbamtlichen Informationsbeauftragten ihren Anfang.
1945 widmete das Reisemagazin Atlantis seine neunte Nummer der ETH Zürich und liess die Professoren ausführlich zu Wort kommen. Die Zeitschrift war besonders vom Forschungsbetrieb fasziniert. Die Labors – und damit die Hochschule insgesamt – erschienen als abseits des politischen Parketts gelegene gesellschaftliche Zentren, an denen nationale
und internationale Interessen verhandelt wurden: "Immer mehr wird die E.T.H. zu einer Art
Forschungslaboratorium des ganzen Schweizer Bundes, und ungezählte Fäden gehen
heute hier zusammen, die mit der Schule als solche nichts mehr zu tun haben" (Hürlimann 1945, 397).
Frühes Produkt des Presse- und Informationsdienstes unter der Leitung von Rolf Guggenbühl. Leporello von 1981.
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Die Technische Hochschule konnte sich über diese unerwartete Chance zur grossflächigen Selbstdarstellung in den Medien, wie sie sonst nur aus Anlass von runden Geburtstagen denkbar war, freuen. In den folgenden Jahren wurden solche Gelegenheiten noch unwahrscheinlicher: Es bahnte sich ein Wandel der gesellschaftlichen Kommunikationskultur an, auf den sich auch die Universitäten einzustellen hatten. Monologisierende Beiträge der
Wissenschaft befriedigten das
Publikum immer weniger, die Öffentlichkeit forderte dialogische
Kompetenzen ein.
Dieser Wandel entsprang mehreren Quellen. Die kybernetischen Modellierungen von Informationsflüssen sowohl in der Biologie wie auch in den Technikwissenschaften verhalfen dem Informationsbegriff in den 1950er-Jahren zu allgemeiner Popularität. In Wirtschaftskreisen rezipierte man US-amerikanische Ideen der Public Relations und die deutschsprachigen Sozialwissenschaften diagnostizierten einen erneuten "Strukturwandel der Öffentlichkeit" (Habermas), der zu grossen Teilen den veränderten massenmedialen Kommunikationsbedingungen zugeschrieben wurde. Darüber hinaus rückten die Hochschulen ins Rampenlicht. In den europäischen Parlamenten und Feuilletons etablierten sich nach dem viel zitierten Sputnik-Schock von 1957 bildungs- und forschungspolitische Debatten. Die Schweiz setzte 1962 die so genannte Labhardt-Kommission ein, die eine bessere Finanzierung der kantonalen Hochschulen empfahl: 1968 verpflichtete sich der Bund mit dem "Hochschulförderungsgesetz" zur dauerhaften Subvention.
Das ETH-Führungsgremium sah sich zu einer Revision seiner
Informationspolitik gedrängt. Der Schulratspräsident Jakob Burckhardt machte sich daher im Mai 1968 an den Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit. Zunächst war ein halbamtlicher Informationsbeauftragter vorgesehen. Der angesprochene Arthur Gloor hatte aber Grösseres im Sinn.
"Dr. Gloor", so berichtete Burckhardt in der Schulratssitzung vom Dezember 1968, "erstattete einen ausführlichen Bericht über seine bisherige Tätigkeit und seine weiteren Pläne; daraus musste ich entnehmen, dass er den Informationsdienst in einer Grösse aufzuziehen gedachte, der mit unseren Vorstellungen nicht übereinstimmte, unter anderem wollte er ein 50 Personen umfassendes beratendes Gremium ins Leben rufen und beanspruchte für sich (bei Teilzeitbeschäftigung) eine Jahresentschädigung von Fr. 40.000."
(Schulratsprotokolle, SR2:1968, Sitzung vom 7.12.1968)
Die ETH verzichtete auf diesen expansiven Schritt und wechselte den Leiter des Presse- und Informationsdienstes. Freilich sah sie sich bald vor ungeahnte kommunikative Herausforderungen gestellt. Ab Oktober 1968 riefen die ETH-Studierenden zur Ablehnung des neuen Hochschulgesetzes für die beiden Technischen Hochschulen des Bundes in Zürich und Lausanne auf. Die studentischen Mitspracherechte schienen ihnen darin nur unzureichend geregelt. Die bunte Kampagne in 68er Manier und das Scheitern des Gesetzes im Referendum 1969 fachten die hochschulpolitischen Diskussionen weiter an.
ETH-Präsident Heinrich Ursprung stand 1974 vor der Frage, warum die "Massenmedien-Wirksamkeit" von Forschung gegenüber der Aufmerksamkeit, die der Hochschulpolitik zukam, so eklatant abfiel. Er verallgemeinerte die strategischen Verunsicherungen der ETH-Führung
einerseits zu einem "Dilemma im Kommunikationsgefüge Mensch und Technik" (zitiert
nach Ursprung 1978, 161-62), hatte aber auch eine konkretere Antwort parat: Die Medien seien aktualitätshungrig. Tatsächlich wurden exakt datierbare und neueste Ereignisse durch die Presse registriert, während die laufende Forschungsarbeit kaum mediale Reaktionen hervorrief. Nur Bahn brechende Ergebnisse, deren Innovationspotenzial von einer Mehrheit nachvollzogen werden konnte, oder feierliche Wissenschaftsanlässe wie Auszeichnungen und Einweihungen schafften es normalerweise in die Nachrichten.
Auf beiden Seiten schien Professionalisierung angezeigt. 1974 bildete sich der Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus SKWJ. Die Mitglieder bemühten sich um eine aktive Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Ein hohes journalistisches Niveau und hohe Erklärungskompetenz sollten helfen, akademisches Misstrauen gegen 'die Medien' abzubauen. Auch auf der Hochschulseite mussten die Vermittlungsbemühungen verbessert werden, beispielsweise indem eigene Publikationen ein attraktiveres Profil erhielten. So hatte das ETH-Bulletin, jahrelang vom ETH-Professor für Bodenkunde Roman Bach ehrenamtlich betreut, eine Reform nötig. Der ausschweifend und polemisch schreibende Bach sah sich immer wieder Kritik ausgesetzt. Der studentische Wochenkalender Woka werde für die Studierenden geschrieben und von allen gelesen, das Bulletin werde für alle geschrieben und von niemandem gelesen: "Woka voran. ETH Bulletin bach-ab", skandierten etwa die VSETH-Vertreter in ihrem Blatt (Studentischer Wochenkalender vom 10.01.1972, 12). 1976 ging die Redaktion des ETH-Bulletins auf die beim ETH-Präsidenten angesiedelte Stabsstelle Presse und Information über. Die aktive Ansprache der Presse war mittlerweile üblich. Laut ETH-Jahresbericht wurden 1978 "gegen 100 Communiqués, Reportagen und andere Artikel verschickt. Sieben Presseorientierungen und weitere Pressegespräche im kleinen Kreis vor allem an Kongressen dienten dem direkten Austausch von Informationen zwischen Wissenschaftern und Medienvertretern" (ETH-Jahresbericht 1978, 46).
Mit Ankunft von Rolf Guggenbühl in der Stabstelle 1979 wurde der visuelle Auftritt systematisch überdacht. "Zum Jubiläumsjahr trug die Stabsstelle Presse und Information vor allem durch folgende Arbeiten bei: Konsequente graphische Gestaltung des Erscheinungsbildes '125 Jahre ETH Zürich 1980' in der Öffentlichkeit, durch Realisierung des Jubiläumssignets, des Jubiläumsplakats, der zahlreichen Veranstaltungsplakate, des monatlichen Jubiläumsveranstaltungskalenders, des Postflaggstempels, des Gesamtprogramms, des Festprogramms und zahlreicher weiterer Anwendungen" (ETH-Jahresbericht 1980, 53). Als wichtiges Detail kippte das ETH-Logo nach rechts. Die modernisierte kursive Version ist bis heute im Gebrauch.
Im ETH-Jahresbericht 2000 wurde Kommunikation nochmals als "strategische
Aufgabe" der Hochschule definiert. Die ETH will seither "offen, rasch vorausschauend
und partnerschaftlich kommunizieren" und hat dafür die Abteilung
Corporate Communications als Kompetenz- und Dienstleistungszentrum
geschaffen. Gleichzeitig startete die Internet-Zeitung ETH Life.
Andrea Westermann