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Interview mit Rektor Konrad Osterwalder vom 29.10.2004

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Frage:

Können Sie unseren Studierenden in ein paar Sätzen umschreiben, worin Ihre Arbeit als Rektor eigentlich besteht?

Antwort:

Der Rektor an der ETH hat – die ETH ist ein bisschen ein Spezialfall, da sie einen Rektor und einen Präsidenten hat. Deshalb ist die Rolle des Rektors der ETH auch nicht ganz die gleiche, wie diejenige eines Rektors einer Universität. Ich bin für die Lehre verantwortlich, im Moment betrifft dies insbesondere die Studienreform – den Bologna-Prozess – diverse Sachen müssen da erneuert werden. Die Bachelorprogramme sind jetzt alle unterwegs, jetzt geht es aber um die Masterprogramme. Hier sind noch viele neue Ideen vorhanden, und es geht jetzt darum, alles zu koordinieren und Grundsätze der Umsetzung festzulegen.
Eine wichtige frage in diesem Zusammenhang, die im Moment diskutiert wird, sind die Zulassungsbedingungen zum Masterprogramm.
Ich habe auch eine grosse Gruppe von Mitarbeitern im Rektorat, die dafür sorgt, dass die Studienadministration funktioniert, die Einschreibung, die Prüfungsorganisation, dann das Stipendienwesen, Studienberatung, Kontakte mit den Mittelschulen, Austausch, Wohnungen, das Didaktikzentrum zur Beratung der Professoren, das ihnen hilft neuen Unterricht zu entwickeln,
Dann gibt es drei Prorektoren, die mit mir zusammenarbeiten, einen fürs Diplomstudium, einen fürs Doktorat (und...?, band unverständlich)
Dann bin ich auch Teil der Schulleitung und damit eingebunden in alle wichtigen Entscheidungen der Schule (Finanzplanung, Professorenplanung, Bauplanung...), alle 14 Tage haben wir Schulleitungssitzung, wo diese Sachen diskutiert werden.
Dann gibt es auch ein grosses Tätigkeitsfeld auf nationaler Ebene. Es gibt eine schweizerische Projektleitung für die Bolognareform, welche ich leite. Dies ist ein Beispiel
Dann gibt es Tätigkeiten auf internationaler Ebene, unitec, es gibt eine Vereinigung der technischen Universitäten Europas, cesaea (?), die ich einmal präsidiert habe. [...] Ecole polytechnique de France. Aufbau von Beziehungen und Austausch mit ausgewählten Universitäten auf der ganzen Welt, welche für uns interessant sind, insbesondere im Bereich Lehre und Studentenaustausch.

Frage:

Als Rektor haben sie – mit diesem vielseitigen Aufgabenbereich – keine Zeit mehr für Vorlesungen, wie kommen Sie in Kontakt mit den studierenden?

Antwort:

Ich könnte irgendeine Routinevorlesung halten, das habe ich aber nie gemacht. Als ich Rektor wurde, habe ich es als einen Grundsatzentscheid angesehen, dass ich entweder Professor für Lehre und Forschung bin, oder ich bin Rektor mit dem vorher beschriebenen Aufgabenspektrum. Sie können sich vorstellen, das ist ein anderer mind-set, den man dabei braucht. Mir ist es aber wichtig zu sagen, dass ich meine Erfahrung in Lehre und Forschung mitgenommen habe in mein Amt, und von dem zehre ich. Das kommt auch immer wieder hervor.
Ich treffe mich zweimal im Semester mit den Vertreterinnen und Vertretern der Studierenden, dies ist ein etablierter Kontakt, der mir auch sehr wichtig ist. Mit “gewöhnlichen” Studierenden habe eigentlich nicht viel Kontakt. Wenn ich jemanden auf dem Korridor treffe, wechselt man manchmal ein freundliches Wort, ich habe auch schon jemandem gesagt, er habe eine interessante Bemerkung gemacht, diskutieren wir die noch weiter, das habe ich auch schon gemacht. sie könnten sich ja vorstellen, bei 12tausend studierenden betrifft dies wenige.

Frage:

Welche Themen haben Sie in den letzten Wochen speziell beschäftigt?

Antwort:

Ein Dauerbrenner in den letzten paar Jahren ist die Bolognareform. Und dies umfasst natürlich eine neue Zulassungsverordnung, eine neue Prüfungsverordnung, die wir schreiben mussten, ein Gesamtkonzept für die Schule, das nicht einfach identisch ist mit der Erklärung von Bologna, es gibt auch Sachen, die wir nicht übernehmen, die bleiben wie bisher, dann gibt es eine Diskussion um die Masterprogramme, welche angeboten werden, wie diese aufgesetzt werden, wie die Zulassung geregelt wird, wie wir die Auswahl treffen, wer dies tut, das wir alles nicht einfach von oben diktiert, das muss diskutiert werden. Obwohl an der ETH die Führung relativ top down und zentral geregelt wird (an keiner der kantonalen Universitäten und keiner deutschen Universität hat die zentrale Führung so viele Entscheidungskompetenzen wie an der eth). Trotzdem ist es natürlich so, dass man in den meisten oder allen Entscheiden zuerst einen Konsens sucht. Dies ist ziemlich aufwändig.

Zwischenfrage:

Ist es manchmal frustrierend, wenn Sie immer zuerst den Konsens suchen müssen? Von Gesetzes wegen sind sie doch verpflichtet, die Betroffenen anzuhören.

Antwort:

In einigen Fällen bin ich dazu verpflichtet, in anderen aber nicht. Es ist nicht frustrierend für mich, in den meisten Fällen funktioniert dieses Zusammenspiel gut. Und da wo es einen Führungsentscheid braucht, treffe ich ihn schon. Zum Beispiel bei der Bolognareform hat man schon viel diskutiert, aber irgendwann muss entschieden werden, und da ist es meistens so gegangen, dass ich der Schulleitung einen Antrag vorgelegt habe, und dann wurde entschieden, dann gilt das für alle;
Was mich in den letzen Tagen und Wochen noch beschäftigt hat: wir hatten intensive Budgetdiskussionen...

Frage:

Sie haben selber an der ETH Zürich Physik studiert. Ihr Studium, Aktivitäten im Fachverein & Hobbies?

Antwort:

6? bis 65. ich hatte schon Zeit für andere Aktivitäten neben dem Studium. Ich habe aber keine Studentenpolitik gemacht. Aber ich habe neben dem eigentlichen Studium regelmässig an der Universität Vorlesungen besucht. Das waren so Gruppen von Studierenden, die in einem Seminar zusammenfanden und die sich auch sonst getroffen haben im Lichthof der Uni. In dieser Lesegruppe hatte es vielleicht ein, zwei Philosophiestudenten, die anderen haben irgendetwas anderes studiert. Geleitet hat diese Lesegruppe der Philosophieprofessor der ETH.

Frage:

Seit wann gibt es den Geisteswissenschaftlichen bereich an der ETH, das heutige D-GESS?

Antwort:

Seit der Gründung.
Es gab schon zu meiner Zeit so eine Art Pflichtwahlfach, aber es wurde nicht wirklich durchgesetzt, so wie es auch vor ein paar Jahren noch war, vor der Einführung der Kreditpunkte. Man konnte in die letzte Vorlesungsstunde gehen und ein Testat abholen. Oder man konnte sogar einen Freund schicken, um das Testat abzuholen.

Frage:

Dann war es schon so, dass sich die Leute eher auf ihr eigenes Studienfach konzentriert haben?

Antwort:

Vielleicht. Aber ich würde mal sagen, dass diejenigen Studierenden, die nicht einfach ums Überleben kämpfen mussten, die haben schon mitgemacht, denn es wurde von dieser Freifächerabteilung immer ein interessantes Programm geboten. Für diejenigen Studierenden, die ihre Zeit zusammennehmen musste, war es aber möglich, sich zu drücken.

Frage:

Haben Sie zu ihrer Studienzeit den damaligen Rektor wahrgenommen?

Antwort:

Nein, überhaupt nicht. Ausser dass seine Unterschrift auf meiner Legi war habe ich ihn nicht wahrgenommen. Doch, einmal habe ich den Rektor getroffen, es gab ja (und gibt immer noch) diese ETH-Medaille. Die wurde damals nicht an einer Promotionsfeier oder am ETH-Tag verliehen, sondern man wurde ins Büro des Rektors eingeladen, der sie einem übergeben hat. Dies war mein einziger Kontakt mit dem Rektor.

Frage:

Hat sich der damalige Rektor auch schon mit den Vertretern der Studierenden getroffen, wie sie es heute pflegen?

Antwort:

Das weiss ich nicht, da ich nicht in den entsprechenden Organisationen tätig war. Was ich hingegen weiss, ist, dass der viel weniger intensiv in sein Amt integriert war, wie das heute der Fall ist. Ein Rektor war normalerweise zwei oder vier Jahre im Amt, und ich bin jetzt seit 1995 (?) im Amt.

Frage:

Ist diese längere Amtszeit ein Vor- oder ein Nachteil?

Antwort:

Dies kommt auf die Aufgabe an. Zu meiner Studienzeit konnte das Amt des Rektors so organisiert werden. Man blieb in der Nähe von Lehre und Forschung. Manche hielten nebenbei sogar noch Vorlesungen und behielten vor allem auch ihre Forschungsgruppen, denn sie kehrten ja nachher auch wieder dahin zurück. Ich hingegen gehe mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr zurück, dorthin wo ich herkomme.

Frage:

Bereuen Sie das?

Antwort:

Ich habe das andere gern gemacht, mit Herzblut. Aber ich habe mich an einem bestimmten Punkt entschieden, meinen Beruf zu wechseln, und habe es auch getan. Und ich habe dies noch nie bereut, das muss ich sagen, nicht einen einzigen Tag habe ich gedacht, dass ich damals einen falschen Entscheid getroffen hätte. Ich habe Spass an dem, was ich mache. (lacht)

Frage:

Und wann haben Sie das erste Mal daran gedacht, sie könnten das Amt des Rektors übernehmen?

Antwort:

Daran habe ich nie gedacht. Wenn überhaupt etwas in diese Richtung gedacht habe, dann habe ich höchstens gedacht, dass ich nie so etwas machen werde. Ernsthaft überlegt habe es mir wirklich erst etwa ein Jahr bevor ich das Amt angetreten habe, als die Dozentenkommission anfing, nach einer Nachfolge für den damaligen Rektor, Herrn von Gunten zu suchen. Dann kam jemand mit der Frage auf mich zu, ob man mich für dieses Amt vorschlagen dürfe. Erst dann habe ich angefangen, mir dies zu überlegen.

Frage:

Finden Sie denn heute noch Zeit, neben Ihrem Amt irgendwelche Nebenbeschäftigungen zu pflegen?
Sie können die Tätigkeiten im Ausland Nebentätigkeiten nennen. Dies sind nicht Dinge, die gehören nicht direkt zu meinem Amt, die muss ich nicht machen. Ich muss nicht in Darmstadt den Unirat leiten. Aber ich glaube, alle meine Nebentätigkeiten haben direkt etwas mit dem Rektorat zu tun. Das ist vielleicht etwas schade. Wenn ich etwas lese, dann lese ich etwas über Hochschulpolitik. Nur ganz selten noch etwas Literatur, nicht mehr sehr viel. Viele Abende und Wochenenden brauche ich für Verpflichtungen im Zusammenhang mit meinem Amt. Früher habe ich noch ein Instrument gespielt, das habe ich aufgegeben. Meine Kinder sind erwachsen....

Frage:

Die ETH hat nächstes Jahr Geburtstag. Die ETH hat sich in den letzten 150 Jahren stark verändert. Was denken Sie, in welche Richtung wird sie sich in den nächsten 10 bis 20 Jahre entwickeln?

Antwort:

Die Hauptveränderung der zwischen der ETH zum Zeitpunkt ihrer Gründung und heute ist folgendes: Sie wurde gegründet als eine Ingenieurschule. Das hatte zu tun mit der Industrialisierung der Schweiz, da hat die ETH eine wichtige positive Rolle gespielt. Die Naturwissenschaften gab es auch schon, aber die waren an der Freifachabteilung angesiedelt. Das waren Dinge, die man brauchte für die Ausbildung der Ingenieure, man musste den Studierenden ein wenig Mathematik, Chemie, Physik beibringen. Die Bedeutung der Naturwissenschaften hat sich erst im Laufe der Zeit ergeben. Und jetzt ja die Schule ziemlich genau halb Ingenieur- halb Naturwissenschaften. Aber es ist der Prozess der Verlagerung der Schwerpunkte, wo man aktiv ist, worauf man sich konzentriert, wo man gut sein will, wo man neue Beiträge leisten will. Und dieser Prozess wir sich fortsetzen. Vor vielen Jahren wurde ein neues Departement gegründet, dasjenige für Betriebs- und Produktionswissenschaften, das haben wir jetzt geschlossen und ein neues gegründet. Dies ist ein wichtiger solcher Entwicklungsschritt. Dann die ganze Entwicklung in die Lebenswissenschaft – in die life sciences – das ist in diesem Ausmass etwas Neues. Die Verschränkung der klassischen Ingenieurwissenschaften mit anderen Disziplinen ist auch etwas Neues. Ein reiner Elektroingenieur hat eine immer geringere Bedeutung, man wird beispielsweise Elektroingenieur werden, der noch etwas weiss über Medizinaltechnik... solche Ausbildungen werden eine immer grössere Rolle spielen. In der Ausbildung und in der Forschung.

Frage:

Für wen wird die ETH in Zukunft Leute ausbilden?

Antwort:

Die ETH hat eine doppelte Aufgabe in der Ausbildung: Sie bildet für jemanden aus, das heisst für den Staat und die Industrie und weitere Organisationen, die nicht zur eigentlichen Industrie gehören. Aber sie bildet auch Leute aus, das heisst ein Angebot für Sie, die Studierenden, und das ist nicht ganz dasselbe. Und es ist immer ein bisschen eine Kunst, diese beiden Sachen, die Ansprüche dieser beiden Gruppen, zusammenzubringen. Aber sie müssen ja auch irgendwie zusammenpassen, denn Ihr Anspruch als Studierenden ist es ja auch, dass sie eine Ausbildung bekommen, die ihren zukünftigen Arbeitgeber passt. Das ist aber nicht Ihr einziges Kriterium, Sie haben eben noch andere. Diese doppelte Aufgabe wird so bleiben.
Der Wandel der Schule ist dadurch bedingt, dass sich die Ansprüche der Gesellschaft wandeln. Die Gesellschaft braucht heute eine anders ausgebildete Führungsschicht. Und deshalb brauchen die jungen Leute auch eine andere Ausbildung als früher.

Zwischenfrage:

(Ausrichtung national –international?)

Antwort:

Die ETH hat eine nationale und eine internationale Aufgabe. Das ist ganz klar, und das wir nebeneinander bestehen bleiben, sicher einmal für die nächsten 20 Jahre. Nachher kann es sich schon ändern, mit der Zeit. In Amerika, da ist es anders, da gibt es Universitäten, die haben klar eine lokale Bedeutung und niemand reist quer durch das ganze Land, um da zu studieren. Sie haben ein lokales Einzugsgebiet. Dann gibt es klar auch die Spitzenuniversitäten, die als Einzugsgebiet mindestens ganz Amerika, wenn nicht die ganze Welt, haben. Ich weiss jetzt nicht genau, wie viele Studenten der Harvard Universität aus Massachusetts kommen. Berkley aus Kalifornien ist etwas anderes, da es eine staatliche Universität ist. Berkley ist vielleicht ein gutes Beispiel, da es viele Studierende aus Kalifornien hat, die tiefere Studiengebühren bezahlen, und die es wahrscheinlich einfacher haben, angenommen zu werden, andererseits hat eine andere Gruppe von Studierenden, die aus ganz Amerika kommen, die höhere Studiengebühren bezahlen, und die sehr sorgfältig ausgewählt werden.
[..] für die Schweizer studierenden .... wenn die zu uns kommen, wird das Studium für die Schweizer studierenden ...

Frage:

[Finden Sie nicht auch, dass die nationale Aufgabe in der aktuellen Diskussion oft vergessen wird?]

Antwort:

Das wird vielleicht nicht so oft erwähnt, weil dies das bisherige ist. Und wir sagen ja nicht, dass wir dies nicht mehr tun. Wir reden mehr, von dem, was neu ist. Und ich würde jetzt mal sagen, auf der Bachelorstufe wird die nationale Bedeutung nach wie vor eine grosse Rolle spielen. Schon weil die Studierenden auf dieser stufe nicht wahnsinnig mobil sind. Dagegen auf der Masterstufe denken wir, dass wir internationaler werden wollen, als wir heute sind. Aber auch da denken wir nur, dass vielleicht die hälfte der studierenden aus dem Ausland kommen wird, die andere Hälfte kommt weiterhin aus der Schweiz.

Frage:

[wird dann jeder Studi der hier den Bachelor macht, hier auch einen Master machen können?]

Antwort:

Das kann ich nicht garantieren. Im Moment ist es uns durchs Gesetz vorgeschrieben, aber das ist nicht unbedingt meine Meinung. Ich denke wir sollten für die Masterstufe ein Zulassungverfahren haben, das für alle gleich ist, auch für unsere eigenen Studierenden. Jetzt ist es klar, dass wir versuchen werden, versuchen werden unsere eigenen Bachelorstudierenden so auszubilden, dass sie nach Möglichkeit unsere Zulassungskriterien erfüllen. Sonst würden wir ja unseren Job schlecht machen. Aber ich denke in Zukunft, wenn es uns das Gesetz erlaubt, sollte die Zulassung kein Automatismus sein.

Frage:

Wie viel Geld gibt die ETH für die Lehre aus?

Antwort:

Das kann ich nicht sagen, und wir wehren uns auch ein bisschen dagegen, dies zu sagen, denn es ist eine unserer Grundphilosophien, dass Lehre und Forschung wirklich ineinander verschränkt sind. Die Lehre bei uns sollte wirklich aus der Forschung herauswachsen und die Studierenden sollten in die Forschung hineingezogen werden, so rasch als möglich. Und ob jetzt eine Arbeit, die eine Studentin oder ein Student im Labor macht als Diplomarbeit oder als Masterarbeit schon ein kreativer Beitrag an die Forschung ist oder nicht, das ist schwer zu sagen. Und das möchten wir eigentlich gar nicht so scharf trennen, man kann irgendwie künstlich sagen, dass so etwa die Hälfte des Budgets einer Hochschule in die Lehre fliesst, aber das hat dann einfach irgendwer einmal erfunden. So ist es nicht.

Frage:

Sie sind ja Vizepräsident für die Lehre. Haben Sie Pläne wie Sie die Qualität der Lehre an der ETH fördern wollen?

Antwort:

Das Hauptprogramm ist, dass die sich Lehre im Rahmen der Bolognareform so entwickelt, dass wieder mehr Selbstständigkeit von den Studierenden gefordert wird – aber auch überhaupt möglich ist. Wenn sie mich fragen würden, was sich denn geändert hat in der Lehre, seit der Zeit als ich studiert habe, dann würde ich sagen, das Studium ist immer mehr strukturiert worden, alles ist präpariert worden, für jede Vorlesung hat es ein Skriptum gegeben, man muss als Student nicht in die Bibliothek gehen und sich den Stoff zusammensuchen, alles nötige ist im Skriptum schön vorbereitet und wenn dies nicht der Fall ist, bekommt der Dozent eins aufs Dach, indem er eine schlechte Beurteilung bekommt am Ende des Semesters. Gut, das ist jetzt einmal eine Phase gewesen, wo man das so gemacht hat. Aber ich habe schon auch in meinem Rucksack meine fast zehnjährige Erfahrung in Amerika, wo ich sah, was es den Studierenden bringt, wenn sie selber aktiv sein müssen. Davon sollte wieder etwas in die Schule hereingebracht werden. Das bedingt natürlich auch, dass man den Studierenden die Möglichkeit dazu gibt, dass man sie nicht 30 Stunden die Woche in Vorlesungen schickt. Das geht nicht. Man kann nicht das amerikanische, selbständige Denken der Studierenden wollen und gleichzeitig diese überladenen Programme...
Was ich denke, was kommen wird, ist, dass man vermehrt spielen wird mit den technischen Möglichkeiten der Informationstechnologie. Ich meine nicht, dass jede Vorlesung irgendwo im Internet sein muss und dass man für alles power point Präsentationen brauchen muss. Der spontane Dialog zwischen der Lehrperson und den Studierenden ist nach wie vor etwas vom zentralsten und wird es auch bleiben. Das ist seit Sokrates und Aristoteles immer so gewesen. Aber das andere ist einfach eine Ergänzung, und wird in Zukunft eine grössere Rolle spielen als heute.

Zwischenfrage.

[Filep]

Antwort:

Ja, Filep geht genau in diese Richtung, die ich jetzt beschrieben habe, oft möchten die Professorinnen oder Professoren innovative Experimente in der Lehre machen, aber sie haben die Zeit nicht dazu, und sie können ihre Assistierenden nicht einfach dafür einsetzen. Und deshalb haben wir den Fonds Filep aufgebaut, Filep ist ein Fonds, ist Geld, wir haben 3 Millionen Franken pro Jahr, geplant ist, dass dies einmal auf 5 Millionen erhöht wird. Und da können die Lehrenden Anträge stellen, wo sie sagen, sie möchten im nächsten Jahr oder in den nächsten 2, 3 Jahren das und das machen, probieren, neu aufbauen, konzipieren, schreiben, und dazu brauchen wir so und so viele Hilfsassistierenden, Assistenten, irgendeinen Apparat, und das wird dann beurteilt von der Studienkommission und aus dem Fonds Filep finanziert. Ich bin stolz darauf, dass wir dieses Programm haben, ich kenne keine Hochschule in Europa, die so etwas hat.

Frage:

Welche Auswirkungen haben die Vorlesungsevaluationen?

Antwort:

Den Studierenden kann ich erzählen, was ich immer wieder auch in den Treffen mit den Fachvereinsvertretern und dem VSETH sage, dass ich nicht ganz verstehe, weshalb die Unterrichtskommissionen keine grössere Rolle spielen im Zusammenhang mit den Unterrichtsevaluationen. Die Idee ist eigentlich die UKs einen Teil der Fragen, welche in diesen Fragebogen gestellt werden, formulieren. Es gibt neben den Rektorsfragen die Departementsfragen, diese sollten von den UKs formuliert werden. Und es gibt die Fragen des Professors. Die Resultate der Befragung gehen dann zurück in die UKs und meine abstrakte Idee, die sich aber offenbar nicht realisiert, in den meisten Departementen, ist, dass dann die UK diese Resultate diskutiert und feststellt, wo etwas nicht in Ordnung ist. dann wird das diskutiert, und ein Drittel der UK-Mitglieder sind ja Studierende, da können sie sich ja einbringen und die UK kann dem Departementsvorsteher oder dem Studiendelegierten den Auftrag erteilen, mit dem entsprechenden Dozierenden Kontakt aufzunehmen. Dies findet offensichtlich nicht genügend statt. Was stattfindet, ist, dass der Departementsvorsteher von sich auch mit den Professoren spricht. Aber dies erfährt man nicht. Man gibt sich natürlich schon Mühe, nicht einen Kollegen blosszustellen, sie sind schon blossgestellt, indem dass die Resultate der Evaluation innerhalb der Departement öffentlich zugänglich sein sollten. Was auch nicht überall der Fall ist, das höre ich immer wieder, und ich erinnere die entsprechenden Departemente immer wieder an diese Vorschrift. Aber man muss die Dozierenden da nicht noch zusätzlich blossstellen.
Man gibt ihnen dann den Rat, sie sollen sich beraten lassen vom Didaktikzentrum, sie sollen sich einmal filmen lassen in einer Vorlesung und dann das Video gemeinsam mit einem Experten anschauen und diskutieren, was verbesserungswürdig ist. ihr Skriptum neu machen, oder was dann gerade bemängelt wird. Ich schreibe den Dozierenden einen Brief, in dem ich ihnen gratulierte und eine Kritik anbringe, dies ist allerdings basiert aber auf der Befragung der Absolventen, da mache ich es, denn diese Befragung wird sehr vertraulich behandelt. Und es kommt auch vor, allerdings nicht sehr oft, dass ich einen Professor zu mir zitiere und sage, dass es so nicht geht. Das sind alles Sachen, das kann man nicht an die grosse Glocke hängen. Was die Studierenden sehen müssten, ist der Effekt dieser Massnahmen. Was dann besorgniserregend ist, ist, wenn ein Dozent Jahr für Jahr die gleich schlecht Bewertung bekommt. Dann funktioniert der Prozess nicht. Aber ich habe Beispiele erlebt, wo sich die Bewertungen sukzessive verbessert haben.

Frage:

Es gibt ja bereits die Vergabe von Lehraufträgen an externe Personen. Werden da didaktische Anforderungen gestellt? Und könnten Sie sich vorstellen für Grundvorlesungen didaktisch speziell hochqualifizierte Lehrer ohne Forschungsauftrag anzustellen?

Antwort:

Was sie da beschreiben, passiert in gewissen Grundvorlesungen. Ist aber aus meiner Sicht die zweitbeste Lösung. Es gibt Departemente, die machen die ganz explizit, die Chemie zum Beispiel, die sagen, dass die Lehre – und gerade die Lehre auf der Grundstufe – Chefsache ist. so viel ich weiss, gibt es in der Chemie keine grosse Vorlesung, die im Lehrauftrag erteilt wird. In der Mathematik dagegen gibt es beispielsweise grosse Servicevorlesungen, die seit Jahren von den gleichen Dozierenden im Lehrauftrag erteilt werden. Das ist eine Kapazitätsfrage. Aber von der Philosophie her bin ich mit den Chemikern einer Meinung. Die Lehre ist Chefsache. Auch bei fachfremden Studierenden. Da erst recht, da ist es schwierig - nicht den Physikern Physik beizubringen, dies ist einfach, die sind ja da, weil sie am Fach interessiert sind und prädisponiert sind, Physik zu verstehen, aber die Agronomen vielleicht nicht. Und darum ist es schwierig.

Frage:

[Themen in den Medien in den letzten zwei Wochen] Wie stellen Sie sich zu der aktuellen Diskussion um Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen?

Antwort:

Im Moment ist meine Meinung dazu, dass man die Zulassung zu den Bachelorprogrammen mal noch so laufen lassen sollte, wie er ist, nämlich dass, wer eine schweizerische Matura besitzt zugelassen wird. Aber wir sind jetzt erst daran herauszufinden, was die Maturitätsreform für Auswirkungen auf die Vorbildung der Studierenden hat. Wir haben in diesem Jahr erst den zweiten Jahrgang von Studienanfängern an den Prüfungen, die nach der neuen Maturitätsverordnung zur Schule gegangen sind. Ich habe die Resultate dieser Prüfungssession noch nicht, aber bei der letzen Prüfungssession hat es so ausgesehen, wie wenn die Resultate gleich gut sind wie in den vorangehenden Jahren, als die Leute noch mit der alten Maturität gekommen sind. Wenn sich dies weiterhin so bewahrheitet, dann bin ich der Meinung, dass man die Zulassung für die Schweizer Maturanden so belassen kann, andernfalls würde man die Matura abwerten. Und dies würde ich nicht begrüssen, dies würde nicht zu einer Qualitätssteigerung im Bildungswesen beitragen. Man muss allerdings zugeben, dass es volkswirtschaftlich schon ein bisschen eine Verschleuderung von Mitteln ist, weil etwa ein Viertel der Studienanfänger nach einem Jahr nicht mehr an der ETH ist. Diese Leute belegen natürlich Studienplätze für ein Jahr, Laborplätze etc., und ich will nicht sagen, dies sei dann ganz verloren, irgendwo ist ja das in diesen Leuten auch abgespeichert, aber es ist vielleicht doch eine schlecht investierte Sache. Andererseits haben wir ein gutes Auswahlverfahren mit unserer Eignungsprüfung. Auf der Masterstufe sehe ich dies ganz anders. Aber das habe ich schon gesagt, da bin ich wirklich der Meinung, dass wir strenge Auswahlkriterien haben sollten. [irgendwas von wir wollen dem zugelassenen Masterstudent sagen können, er absolviere mit 90 oder 95% Sicherheit dieses Studium] Später kommt dies auf der Bachelorstufe vielleicht auch, aber dies kann ich jetzt einfach noch nicht sagen.
Das andere Problem, Studiengebühren. Ich muss vielleicht vorausschicken, dass ich mich bemühe, dass es auch meinem Naturel und Erziehung entspricht, dass ich sehr sozial denke. Ich will nicht, dass jemandem das Studium verwehrt ist, aus materiellen Gründen. Und trotzdem finde ich, dass wir substantiell höhere Studiengebühren einführen sollten – mit der Zeit. Einfach darum, dass dadurch dass heute so viel mehr Leute an die Hochschulen kommen um zu studieren (in den 50er Jahren waren es 2 Prozent eines Jahrgangs, heute sind es 20 Prozent, und in Deutschland sind es fast deren 40) , das kann der Staat so nicht mehr alleine tragen, diese Kosten. Und es ist auch nicht sinnvoll, wenn 100 Prozent der Leute für 50 Prozent die Ausbildung bezahlen. Man kann sogar sagen, das sei antisozial. Die Kollegen von ihnen, die eine Lehre gemacht haben, und mit 20 angefangen haben zu arbeiten, die zahlen mit ihren Steuern Ihr Studium. Das ist doch nicht fair. Ich würde sagen, es ist dannfair, wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, Ihr Studium zu finanzieren, aber wenn sie Eltern haben, die das können, dann ist es doch nichts als recht, wenn Sie etwas beisteuern zu den Kosten ihrer Ausbildung. Immer, die Zukunft liegt nicht im Sprung von gegenwärtig Tausend auf 2 Tausend oder auch 4 Tausend franken. Mittelfristig müssten es 10 Tausend sein, dann bringt es der Hochschule etwas. Und dann muss ein gutes Stipendiensystem her, und ein Darlehenswesen. Eines, das wirklich funktioniert.

Frage:

Sie meine, diese Studiengebühren müssten dann aber auch spezifisch in die Finanzierung der Hochschule, resp. Lehre fliessen. Wenn Sie sagen, dass es nicht fair ist, wenn meine Kollegen, die eine Lehre gemacht haben mein Studium finanzieren, dann denken Sie schon, dass die Finanzierung beispielsweise der Stipendien, eine Aufgabe der Gesellschaft ist?

Antwort:

Das bleibt eine gesellschaftliche Aufgabe. Schon aus dem Grund weil... ich meine die Aufklärer, als sie sich dieses neue Bildungswesen ausgedacht haben, das wir heute noch haben, haben gemeint, das sei eine Staatsaufgabe. Denn der Staat, wenn er demokratisch funktionieren will, braucht ausgebildete Bürger. Deshalb muss er auch dafür sorgen. Und dies ist immer noch wahr. Nur ist es nicht mehr wahr, dass der Staat der einzige Nutzniesser ist. die Privatwirtschaft ist auch interessiert daran. Darum muss die Privatwirtschaft in Zukunft mehr beitragen an die Kosten im Bildungswesen. Und der einzelne Bürger ist heute eben auch sehr interessiert daran, eine gute Bildung zu bekommen, das gibt ihm einen Nutzen...

Frage:

Welchen Nutzen bekommt dann ein Studierender, wenn angenommen, er muss höhere Studiengebühren bezahlen, abgesehen davon, dass die Hochschule mehr Geld hat. Versickert das dann einfach im allgemeinen Budget der ETH?

Antwort:

Das versickert nicht einfach im Budget. Es wird so sein, dass der Staat uns nicht mehr den Budgetzuwachs wird geben können, dass wir benötigen um auf dem Weltniveau bleiben zu können, auf dem wir uns heute befinden. Und die zusätzlichen Geldquellen werden dann eben eingesetzt dafür, um das Niveau zu halten oder gar zu steigern. Und der Vorteil des Studierenden, der dann 2Tausend statt Tausend, oder eben sogar 10Tausend bezahlt, der liegt nicht so sehr darin, dass die Lehre immer besser wird, sondern der liegt darin, dass wenn er nachher das Label ETH hat, dass das etwas ist, das man auf der Welt kennt. Das ist sein Vorteil. Dass der Ausweis, den er an der ETH gemacht ist, den Wert behält, den er heute besitzt, und vielleicht sogar an Wert gewinnt. So muss man das sehen. Nein, diese Rechnung, geben Sie mir 2000 statt 1000, und Ihre Lehre wird besser, das ist zu einfach. Natürlich bemühen wir uns, die Lehre gut zu machen. Aber wenn Sie uns das nicht geben, dann wird die Lehre sicher schlechter.
[hier hat er noch von dem Mietshaus erzählt, der Vermieter der die Miete raufsetzt um das Haus nicht verfallen zu lassen]

Letzte Frage:

Was möchten Sie den Studierenden an der ETH für das nächste Jahr mitgeben?

Antwort:

Sie sollen sich freuen und stolz sein, dass sie an der ETH sind. Und sie sollen diese Zeit nutzen um etwas für sich herauszuholen aus dieser Schule und sie sollen das Studium geniessen, trotzdem.

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