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Leistungsdruck und Prüfungsstress. Zu den Grenzen studentischer Selbstdisziplin

Seit 1975 bietet die ETH gemeinsam mit der Universität Zürich psychologische Beratung für Studierende an. Trotz häufig bezeugter Krisen nahmen die ETH-Studierenden das Angebot aber vergleichsweise selten und spät in Anspruch.

Als das Wort 'Information' Ende der 1960er-Jahre längst zu einer beispiellosen Karriere angesetzt hatte, bemerkte die ETH-Schulleitung, dass der Informations- und Beratungsbedarf auf Seiten der Studierenden zwar gross war, die Hochschule ihm aber institutionell nicht gerecht werden konnte. Auch gingen die Meinungen darüber auseinander, welche Art der Beratung im Vordergrund stehen sollte. Schulratspräsident Jakob Burckhardt dachte an einen "Studentenbetreuer" für "alles incl. Stipendien". Schulratssekretär Hans Bosshardt hielt eine solch allgemeine Anlaufstelle für wenig sinnvoll: Vordringlich fehle ein Vertrauenspsychiater. Damit schloss er sich der Sicht des Vertrauensarztes der ETH an, wie jener sie in seinem Bericht an den Krankenkassenvorstand der Hochschule 1967 dargelegt hatte. Er habe den Eindruck, dass psychiatrische Behandlungen hauptsächlich neurotischer und psychosomatischer Störungen die Kasse zunehmend belasteten.

Im Vorstand der seit 1857 bestehenden studentischen Krankenversicherung sassen auch Mitglieder des VSETH. Diese weigerten sich 1970 wegen eben dieser Kosten eine Erhöhung des Kassentarifs zu akzeptieren.

"Da, wie dies aus den Aeusserungen von Prof. Kind (Protokolle der Vorstandssitzung KK 1. Dez 1970) hervorgeht, die meisten psychischen Störungen durch Schwierigkeiten im Studium und Examensschwierigkeiten entstehen, ist der DC des VSETH der Ansicht, dass die Kosten für die Behandlung von psychiatrischen Fällen von der ETHZ übernommen werden sollen. Dies geschieht auf dem Weg der Subventionierung der Krankenkasse."

(ETH Bulletin 1971, Nr. 37, 15)

Dagegen befürworteten die Studierenden die geplante Gründung einer psychologischen Beratungsstelle für beide Zürcher Hochschulen. Die Beratungsstelle nahm 1972 vorerst nur für die Universität Zürich ihre Tätigkeit auf, 1975 kam es zu einem gemeinsamen Trägerverein. Im ersten Tätigkeitsbericht referierte der heute noch amtende erste Studentenberater Eugen Teuwsen die Problemfaktoren knapp: "Umstellungsprobleme in einer veränderten Lebenssituation, z.B. die Stadt-Land-Problematik, Massenhochschule, Unterschied von Mittel- und Hochschule, Informationsflut, Veränderungen und Wertsysteme, Veränderungen der Beziehung zur Familie, Kontaktprobleme, Lerngewohnheiten, Lehrstile usw."

Diese Faktoren waren im Austausch mit insbesondere bundesdeutschen Studentenberatungsstellen erhoben worden und hatten sich für die Technische Hochschule ebenfalls bestätigt. Die individuellen Problemschilderungen der Beratungssuchenden geronnen zu einer eindrücklichen Beschreibung des ETH-Lehrmilieus. Ein ETH-Student etwa hatte die ersten vier Semester

"wahnsinnig unter Druck und aus dem Druck heraus gelebt. Dann ist der Stress weggefallen, und ich habe angefangen zu schwimmen. Als das alles fertig war, hatte ich den Eindruck, einigermassen hilflos herumspaziert zu sein. Ich war gewohnt, unter Stress zu leben und habe versucht, den Stress wiederzufinden, denn da kannte ich mich aus. Als ich das dann nicht gefunden habe, war ich ganz auf mich selber angewiesen. Da blieb nur noch ein Häufchen Elend übrig. Ich habe ein paar Grundprinzipien mitbekommen. Diese Prinzipien habe ich jahrelang gewürdigt und danach gelebt. Aber das hat mich im Grunde so eingeengt, weil ich mich nicht entfalten konnte. Ich suchte meinen eigenen Weg, das aber mit schlechtem Gewissen. Erst seit ich wage, auszuführen, wo ich selber dahinterstehe, fange ich an zu leben – aber es kostet mich viel Kraft, diese Umwandlung."

(Archiv Psychologische Beratungsstelle für Studierende beider Hochschulen Zürichs, Veränderung als Grundthema einer psychologisch-therapeutisch orientierten Studentenberatung 25.5.1972)

Auch in der Retrospektive bleiben solche Alltagsaspekte plastisch, können Druckmittel und Repressionserfahrungen benannt werden. Urs Maurer, der 1968 Delegierter der ETH-Studierenden für Hochschulreformfragen wurde, erinnert sich, wie er kurz nach Semesterbeginn aus der Rekrutenschule an die Architekturabteilung der ETH kam.

"Von einem Assistenten wurden alle, die drei Wochen zu spät waren, in einer Daher- Formation aufgestellt. Er erklärte: Entweder ihr habt bis Weihnachten die drei Wochen nachgeholt und verpasst das Laufende nicht oder ihr werdet diese Schule verlassen müssen. Schaut nach links, schaut nach rechts, das sind drei, nach dem ersten Vordiplom ist noch einer von euch da. Nach einem Jahr Turnlehrerstudium in Basel an einer Universität begann so meine zweite Art Rekrutenschule."

(ETHistory-Interview mit Urs Maurer vom 13. Juli 2004)

Seit der Aufnahme der psychologischen Beratung hat sich das Profil der Klientinnen und Klienten kaum geändert: ETH-Studierende gehen im Vergleich mit Universitätsstudierenden seltener in die Beratung; Männer sind – bei den mehrheitlich männlichen ETH-Absolventen besonders auffällig – seit Jahren unterrepräsentiert. Auch die Erklärungen bleiben erstaunlich konstant. Studierende der philosophischen Fakultäten geraten deswegen häufiger in Krisen, weil ihre Fächer und deren Lernvorgaben weniger greifbar sind, als dies etwa in den Ingenieurwissenschaften der Fall ist. Ein anderer Grund wird darin gesehen, dass die traditionell 'männlichen' Ideale wie Durchhaltevermögen und Härte immer noch greifen.

Andrea Westermann

   
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